INTERVIEW // Andy Heller & Oliver Krebs "home again"

INTERVIEW // Andy Heller & Oliver Krebs "home again"

3 Fragen an Andy Heller & Oliver Krebs

HOME AGAIN – MIGRATION | ZUHAUSE | ERINNERUNG

Kuratiert von: Andy Heller und Oliver Krebs

Stadthaus Ulm

bis 12. Januar 2025

Künstlerinnen und Künstler:

M L Casteel / Hannah Darabi / Göran Gnaudschun / Andy Heller / Ulrike Kolb / Oliver Krebs / Eva Leitolf / Wiebke Loeper / Ute Mahler und Werner Mahler / Jana Sophia Nolle / Ingmar Björn Nolting / Peter Piller / Minna Rainio und Mark Roberts / Elena Subach

VTph magazine: Die Ausstellung home again – Migration / Zuhause / Erinnerung im Stadthaus Ulm lief sehr erfolgreich und wurde als Fortsetzung der Ausstellung von 2022 konzipiert, die zum ersten Mal in Berlin im Willy-Brandt-Haus gezeigt wurde. Was war die Ursprungsidee dahinter und warum war es euch wichtig, dass diese Ausstellung wandert?

Andy Heller: Ursprung war die Ausstellung „Make it Home“, die wir unmittelbar vor Beginn der Pandemie für die Kommunale Galerie Charlottenburg in Berlin geplant hatten, und die 2022 eröffnet wurde.

Im Anschluß an „Make it Home“ hatten wir im Auftrag des Willy-Brandt-Hauses ein neues Ausstellungskonzept zu dem Themenkomplex des sich Beheimatens erarbeitet und es ist dann durch eine konsequente Weiterentwicklung auch dieser für uns wichtige Dreiklang aus Migration, Zuhause und Erinnerung entstanden. Nachdem wir home again 2022 im Willy-Brandt-Haus gezeigt haben, wurde die Ausstellung jetzt vom Stadthaus Ulm übernommen. Da wir dort doppelt so viele Wandmeter zur Verfügung hatten wie in Berlin, konnten wir mehr Werke von jedem der 15 Künstlerinnen und Künstler zeigen und die Ausstellung außerdem auch noch um eine neue Position erweitern. Und zwar von der iranischen Künstlerin Hannah Darabi.

In der Ausstellung home again sind ja viele Themen und Aspekte enthalten: sich beheimaten, sich zu Hause zu fühlen, über Erinnerung nachdenken und sprechen. Es sind Unterkonzepte, die durch die unterschiedlichen Schwerpunkte der Künstlerinnen und Künstler abgebildet werden. Aber ganz am Anfang und zu Beginn des Projektes gab es vor allem ein großes Konvolut an künstlerischen Arbeiten.

VTph magazine: Reverse Engineering…

Andy Heller: In gewissem Sinne, ja. Es gab das Grundthema und dazu eine Riesenauswahl von wundervollen und sehr guten Arbeiten von sehr unterschiedlichen Künstlerinnen und Künstlern. Und step by step haben wir die Ausstellung für das Willy-Brandt-Haus im Kontext der geopolitischen Situationen und des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine dann entwickelt und mit der ukrainischen Position von Elena Subach erweitert. Obwohl der Hängeplan und die Ausstellungskonzeption zu dem Zeitpunkt des Kriegsausbruchs schon komplett fertig geplant waren. Und auch in Ulm wollten wir im Zuge der politischen Ereignisse im Nahen Osten noch einmal eine Aktualisierung vornehmen, denn bei diesem Themenkomplex hatten wir das Gefühl, die Ausstellung sollte immer auch einen gewissen Grad an Aktualität haben.

VTph magazine: Welche persönlichen Positionen wolltet ihr im Kontext der Ausstellung zeigen?

Andy Heller: Ich zeige meine aktuelle Arbeit „Staygration“, die sich dem Klimawandel und dem Thema ökologische Migration widmet. Die Fotografien und Videoloops setzen sich mit der Co-Existenz von Mensch und Natur am Beispiel der in Portugal sesshaft gewordenen Storchenpopulation auseinander. Die Störche, einst Zugvögel, fliegen nun nicht mehr nach Afrika, sondern haben aufgrund der Klimaerwärmung die Wintermigration aufgegeben und lassen sich in Portugal nieder. 1995 lebten 1200 Störche dauerhaft in Portugal, heute sind es 14000 Residents. Das hat zwei Gründe: Durch die schon genannte Klimaerwärmung sind die Winter wärmer geworden und Frösche und Grashüpfer ganzjährig als Nahrung verfügbar. Ein anderer großer Aspekt sind aber auch die von Menschen geschaffenen Strukturen, wie die offenen Mülldeponien, die als zuverlässige Nahrungsmittelquelle dienen. Die Störche bauen bevorzugt ihre Nester in deren Nähe und es gibt dort sogar eine Straße, die sich „Tal der Störche“ nennt. Da findest du ein Nest neben dem anderen und alle Touristen halten dort erst einmal an. Ich war in Portugal mit einem Biologenteam der University of East Anglia (UEA) Norwich, England, unterwegs, das das wissenschaftliche Paper „Are white storks addicted to junk food?“ veröffentlicht hat. Diese Studie untersucht den Zusammenhang zwischen den offenen Müllhalden und dem Migrationsverhalten der Störche. Besonders interessant ist jetzt aber, dass aufgrund einer EU-Verordnung die Müllkippen in Portugal nun überdacht werden. Somit wird die Abfalldeponie als permanente Nahrungsmittelquelle für die Störche wegfallen. Und das Forscherteam – und ich auch – ist schon sehr gespannt zu sehen, wie die Störche darauf reagieren. Ob sie ihre Wintermigration nach Afrika wieder aufnehmen werden und es damit zu einer erneuten Verschiebung der Artenvielfalt Afrikas und Europas kommen wird.

Andy Heller, aus der Serie "Staygration"

Andy Heller, aus der Serie: Staygration, Untitled, C-Print, 2020 / VG Bild-Kunst Bonn 2024

Ich persönlich finde es sehr interessant, wie sich Tiere, in diesem Falle die Störche, den Raum zurückerobern und ihn vereinnahmen – sogar mitten in den Ballungszentren haben sie ihre Storchennester gebaut. Meine Bilder sind in diesem Sinne Raumprotokolle der Orte. Es sind aber auch Suchbilder, denn auf meinen Fotos sind entweder in die Landschaft eingebettete Storchennester, ein Storch oder wie auf dem Bild der Mülldeponie auch 200 Störche zu sehen.

Zu Beginn hatte ich die Arbeit als reine Fotoserie konzipiert, aber ich habe schnell gemerkt, dass die Umgebung, die Zwischenräume in der Stadt, und all das, was außen herum passiert, auch noch integriert werden sollte und habe demnach angefangen zu filmen. Für mich brauchte es noch eine zeitliche Ebene als Ergänzung, um die Co-Existenz von Mensch und Natur noch besser ins Bild zu setzen. Diese Videoarbeit ist neu. Und ich habe jetzt ein sehr großes Konvolut an Fotografien und Videoloops. Es könnte demzufolge später einfach noch eine größere Einzelausstellung mit dieser Arbeit entstehen.

Oliver Krebs: In home again zeige ich Arbeiten aus meinem Zyklus „Signal und Rauschen“ und gehe hierbei der Frage nach: Was macht ein Bild zum Bild und wann hört ein Bild auf zu existieren und vergeht im Rauschen? Erinnerungen konstituieren Bilder und Bilder ermöglichen Erinnerungen, genauso wie Eindrücke, Gerüche, Klänge. Jeder Mensch erinnert sich ein bisschen anders, bei mir persönlich sind es die Bilder, die Erinnerungen bewahren. In dem Moment, in dem ich ein Bild formuliert habe, kann ich es auch erinnern und behalten. Und jedes mal, wenn ich mich erinnere, verändert es sich auch wieder. Die Formulierung von Erinnerung verselbstständigt sich somit.

Oliver Krebs, aus der Serie "Signal und Rauschen"

Oliver Krebs, aus der Serie: Signal & Rauschen, ohne Titel, C-Print, 2018 / VG Bild-Kunst Bonn 2024

Wir haben die Ausstellung home again so strukturiert, dass die Arbeiten untereinander auch Dialoge aufnehmen. Denn wir wollten auch immer auf die Räume vor Ort eingehen, und dabei neue Bezüge finden. Das Stadthaus Ulm ist für diese Ausstellung ein sehr interessanter Bau – von Richard Meier – und ich glaube auch, sogar für diese sehr unterschiedlichen Bildsprachen ist er gut geeignet. Es ergaben sich bei uns neue Blickachsen und neue Überschneidungen. Das tut der gesamten Ausstellung sehr gut. Leider wird immer moniert, wenn Künstler und Künstlerinnen sich kuratorisch betätigen. Denn es ist oftmals ungewöhnlich, dass auch Künstler und Künstlerinnen kuratieren.

VTph magazine: Da widerspreche ich entschieden!

Oliver Krebs: Wir werden zumindest oft darauf angesprochen. Oder sagen wir es anders, Künstler und Künstlerinnen können auch kuratieren und ihre Arbeit in einen Kontext stellen. In unserer Produzentengalerie Loris Berlin ging es auch darum, sich als Künstler in den Diskurs miteinzubringen.

Für viele Kunstvereine war solch ein großes Konvolut von 16 Künstlern und Künstlerinnen allerdings recht sperrig. Dennoch waren einige Kunstvereine sehr offen. Wir haben im Vorfeld natürlich geprüft, was die Vereine überhaupt für ein Konzept haben, und ob unseres denn da überhaupt hinein passt. Denn es nützt nichts, das Konzept einfach an viele Häuser zu schicken. Viele Häuser sind auch gar nicht daran interessiert, fremd kuratierte Ausstellungen einfach so zu übernehmen. Aber es gibt zum Glück auch Häuser, wie das Stadthaus Ulm, die dies tun, und diese Häuser sind wiederum auch an neuen Impulsen interessiert, worüber wir sehr dankbar sind.

Interview: Nadine Ethner

Cover: Andy Heller, aus der Serie: Staygration, Untitled, C-Print, 2020 / VG Bild-Kunst Bonn 2024

//

home again – Migration | Zuhause | Erinnerung

Stadthaus Ulm

bis 12. Januar 2025

https://stadthaus.ulm.de/home-again