INTERVIEW // Florian Langhammer – Collectors Agenda

INTERVIEW // Florian Langhammer – Collectors Agenda

By Nadine Ethner

VTph magazine: Florian, du leitest das Onlinemagazin Collectors Agenda, du kuratierst Editionen, führst Interviews, fotografierst und parallel arbeitest du noch als Brand Consultant. In Kürze, du bist interdisziplinär unterwegs. Erzähl` uns ein bisschen vom Starting Point von Collectors Agenda und die Entwicklung der Plattform.

Florian Langhammer: Kunst und Kunstausstellungen werden generell oft sehr exklusiv behandelt und besprochen. Wenn man sich zwar für Kunst interessiert, aber vielleicht nicht diesen künstlerischen Background hat oder nicht so richtig zur Szene gehört, stößt man in dieser Sphäre oft auf gewisse Hürden und Barrieren. Mein Partner und ich hatten daher schon vor vielen Jahren festgestellt, dass es aus unserer Sicht viel zu wenige Angebote gibt, um einen niedrigschwelligen Zugang zu Kunst zu bieten und wir wollten dem etwas entgegensetzen. Die Kunstszene verfügt durchaus auch über Sprache und über Codes, und versteht es damit auch, Barrieren zu errichten – parallel ringen wir alle miteinander und wir wollen ja alle mehr Menschen für die Kunst gewinnen.

Ende 2015 kam uns dann die Idee, dass wir mit Kunst viele neue Zielgruppen über verschiedene Generationen hinweg erreichen möchten, indem wir eine digitale Editions-Plattform aufbauen, auf der wir Editionen von internationalen Künstlern vorstellen wollen.

Gab es anfänglich auch Auktionen auf eurer Plattform?

Nein, wir sind kein digitales Auktionshaus und das wollten wir auch nicht aufbauen. Wir sind anfänglich sehr blauäugig in den Kunstmarkt hineingegangen, wir waren selbst neu in der Kunstszene und hatten uns noch nicht so richtig etabliert. So einfach aus dem Stegreif ging es also nicht. Am Anfang hatte uns auch die Wirtschaftsagentur Wien unterstützt. Wir haben auch früh versucht, außer einem kommerziellen Angebot, auch ein Magazin auf der Website zu etablieren. Unsere Vorgehensweise war allerdings anfänglich recht unsystematisch. Wir hatten damals alles von Ausstellungsrezensionen bis hin zu Ateliergesprächen abgedeckt, aber es war eine wilde Ansammlung von Editorials. Damit sind wir dann schon aufgefallen und die Kunstszene hatte uns somit recht früh ein sehr positives Feedback auf diese Formate gegeben, was uns sehr gefreut hatte und uns positiv überraschte.

Die Ateliergespräche sollten auch so authentisch wie möglich sein, wir haben einfach die Künstler gefragt, und sie gebeten uns zu erzählen, woran sie arbeiten und was wir gerade in ihrem Atelier sehen. Wir wollten immer bei null anfangen und immer in der Voraussetzung, dass der Leser oder die Leserin quasi keine Vorkenntnisse hat und wir den Leser begleiten. Daraus sind dann teilweise sehr lange Interviews entstanden, weil die Länge von unserer Seite nicht vorgegeben war, sondern unser Zugang ganz unverblümt und unbedarft war. Das hatte offenbar Charme. Wir haben einfach immer gedacht, Künstlerinnen und Künstler sind ganz normale Menschen und man muss sie nicht auf ein Podest heben.

Ihr fotografiert auch die Künstler vor Ort in ihren Studios, und stellt sie als sehr nahbar dar.

Genau. Künstler sind Menschen wie du und ich, aber was sie besonders macht, ist ihr bestimmter Blick auf die Welt. Und von diesem Blick wollen wir lernen, denn es ist ein Blick, der bereichert. Das war unser Hauptgrund, darum haben wir auch die Interviews gemacht. 

Wir hatten parallel auch viele andere Dinge ausprobiert, mussten dann aber feststellen, dass es diese Gespräche waren, wofür wir wirklich geschätzt wurden. Beiträge über neue Ausstellungseröffnungen schreiben schon so viele, und alle anderen können es wahrscheinlich besser, weil manche Redaktionen ein viel größeres Team haben als wir. Wir hatten uns dann einfach auf zeitlose Inhalte konzentriert und haben innerhalb von kürzester Zeit im Prinzip unser Geschäftsmodell um 180 Grad gedreht. Wir sind keine Editionsplattform mit Magazin, sondern wir sind ein Magazin, welches auch Editionen anbietet.

Es war auch viel spannender und viel sinnvoller, Editionen aus dem Kontakt mit Künstlerinnen und Künstlern zusammen zu entwickeln, als irgendwo hinzugehen und zu behaupten, wir können euch eure Restbestände vom Kunstverein in kurzer Zeit verkaufen.

Alle Editionen entstehen exklusiv mit uns und für uns und in sehr enger Zusammenarbeit mit den Künstlerinnen und Künstlern. Es ist eine sehr wertschätzende, enge Zusammenarbeit. Jeder Edition geht ein Atelierbesuch voraus, sodass vorher immer eine Vertrauensbasis geschaffen wurde.

War es euch wichtig, gleich unterschiedliche Zielgruppen und Generationen anzusprechen, die auch digital unterwegs sind, oder hattet ihr anfänglich euren Fokus nur auf den Ausstellungsort gelegt?

Unser Ausstellungsraum hier in Wien ist uns sehr wichtig. Wenn wir eine Ausstellung mit einem Künstler machen, dann gab es vorher schon viele Gespräche und wir hatten einige Künstler dann auch schon unseren Lesern vorgestellt. 

Denn darum geht es ja auch, dass man die Leute dazu befähigt, sich gegenseitig selbstbewusster über Kunst auszutauschen und auch über Kunst zu sprechen. Und das aber auch auf natürliche Art und Weise. Wir geben quasi das Gesamtpaket: die Kunst und den Background. Und das ist etwas sehr Schönes. Wenn junge Menschen, die neu in der Szene sind, dann ein Kunstwerk kaufen, ist schon viel erreicht. Und ich höre das sehr häufig von jüngeren Sammlern, die mit Ende 20, Anfang 30 ihr erstes Kunstwerk kaufen, und dann sagen, hey, ich habe bei euch mein erstes Kunstwerk gekauft. Denn auch jüngere Sammler möchten ein Original besitzen und nicht irgendeinen Kunstdruck aus einem Museumsshop. Aber wir haben durchaus auch sehr erfahrene Sammlerinnen und Sammler, die unsere Editionen sehr schätzen.

Dem Aufbau einer Plattform und eines Editorial-Magazins geht bestimmt auch viel Brainstorming voraus, man tauscht sich aus, holt sich Feedback und sagt dann, wir gehen in die oder in die Richtung. Und die Zusammenarbeit mit den Künstlern ist dann Win-Win für beide. Oder wie war euer Ansatz?

Ich persönlich finde die enge Zusammenarbeit mit den Künstlern und Künstlerinnen sehr spannend und viel lohnenswerter – vom Verarbeiten von Erlebnissen bis hin zum direkten Kontakt. Das gibt der Plattform auch eine persönlichere Note. Und wir möchten ja auch Editionen mit jenen machen, die wir persönlich besonders schätzen. Gemeinsam im Atelier überlegen wir, was wir der Community vorstellen wollen. Natürlich lassen wir den Künstlerinnen und Künstlern ihre Freiheiten, aber dass wir gemeinsam Dinge durchspielen, das ist schon sehr schön und bereichert uns alle. Daraus entsteht dann auch eine Ausstellung, die an die Edition gekoppelt ist, und meist entsteht ein sehr enger, vertrauensvoller Kontakt oder eine Freundschaft.

Viele Ausstellungshäuser und Galerien mussten während der Pandemie schließen. Wer vorher schon eine gute digitale Präsenz hatte, war im Vorteil und hatte plötzlich eine Alternative, die auch online gut funktionierte. Ist es jetzt für euch an der Zeit mit all diesen Erfahrungen, die Editionen ausschließlich digital zu verkaufen?

Der physische Raum ist für uns extrem wichtig, weil hier die persönliche Begegnung einfach eine andere ist als ein virtuelles Treffen online oder ein virtueller Rundgang. Wer sich bei uns online meldet, bekommt eine persönliche Betreuung und wir treten dann per E-Mail oder per Telefon mit der Sammlerin oder dem Sammler in Kontakt. Da wir keinen Onlineshop haben, schauen wir dann auch gemeinsam nach der günstigsten Versandmöglichkeit. Es gab sogar auch schon Situationen, in denen ich die Arbeit nach München brachte und sie aus dem Zug bei einem Zwischenstopp jemandem herausgereicht hatte. Der Sammler wohnte in Zürich, war aber gerade in München und wir hatten es perfekt koordiniert. 

Wir haben natürlich auch Messeauftritte auf der Art Cologne oder auf der Vienna Contemporary. Das ist natürlich noch einmal etwas ganz anderes. Der Ausstellungsraum in Wien bietet mir auch die Möglichkeit, nicht nur ein Projekt zu zeigen, sondern auch mehrere Positionen im Dialog miteinander.

Gibt es Gastkuratoren, die ihr für die eine oder andere Ausstellung für euch gewinnen könnt?

De facto kuratiere ich die Ausstellungen selbst. Ich überlege mir immer, ob es spannende Bedeutungsebenen zwischen zwei Positionen gibt und den Text schreibe ich ebenso. Aber wir haben auch einen sehr großen Pool an Kunsthistorikerinnen und Kunsthistorikern, oft gibt es dann interessante Kooperationen mit den ausstellenden Künstlerinnen und Künstlern. Es gibt natürlich auch Angebote von Drittanbietern zu digitalen Ausstellungsräumen, aber das interessiert uns aktuell nicht.

Natürlich nutzen wir auch alle digitalen Medien und wir sind auch digital unterwegs. Aber ich persönlich bin jetzt auch nicht der Aktivste. Auch wenn ich weiß, dass der Onlinekanal wichtig ist, ich versuche mich dennoch so wenig wie möglich auf digitalen Social-Media-Kanälen aufzuhalten. Ein bisschen Digital-Detox gehört dazu. Mein bevorzugte Begegnung ist das persönliche Treffen. 

Du magst Menschen und hast einen Draht zu den Sammlern und Interessenten, das spürt man.

Dass wir über die Jahre soviel positives Feedback bekommen haben liegt sicherlich daran, dass ich den persönlichen Austausch sehr mag. Auf der anderen Seite, macht sich natürlich bemerkbar, dass ich auch Brand Consultant bin und für andere Unternehmen ihre Marke und ihren Marketingauftritt optimiere.

Auch wir haben von Anfang an darauf gesetzt, einen starken visuellen Auftritt mit einem prägnanten Schriftzug und einer prägnanten Farbe zu entwickeln. Wir hatten uns damals eine sehr spezielle Pantone-Farbe herausgesucht. Sie wirkt im Web als auch im Druck sehr schön und leuchtet wunderbar. Sie ist unser Markenzeichen. 

Wir wollten schon von Anfang an auf Erkennbarkeit und Einprägsamkeit setzen. Unsere ganzen Marketingaktivitäten haben daher eine sehr klare Struktur. Jeder Newsletter, den wir versenden, ist gleich aufgebaut. Alle Stories, die wir machen, haben alle den selben Umfang. Die Bildstrecken folgen einem konsequenten Prinzip und die Art von Fragen haben einen zeitlosen Charakter. Das sind alles Dinge, die wir sehr bewusst entschieden haben.

Der Blick hinter die Kulissen beschränkt sich aber nicht nur auf die Künstlerateliers. Ihr sprecht auch mit Sammlerinnen und Sammlern und gebt somit Einblicke in verschiedene Privatsammlungen. Was unterscheidet diese Interviews und Herangehensweise von Interviews mit den Künstlern?

Wir haben das Glück, ein sehr großes und internationales Korrespondentennetzwerk zu besitzen, welches wir über die Jahre aufgebaut haben. Wir schreiben und berichten aus den wichtigsten Kunststandorten der Welt. Aktuell arbeiten wir mit ca. 45 Kooperationspartnern zusammen, um weiterhin diese Nähe bei den Interviews gewährleisten zu können.

Aber natürlich interviewen wir auch gern Sammlerinnen und die Sammler, einfach weil es uns interessiert zu wissen, wo letztendlich unsere Editionen hängen werden oder wie ein Sammlungsaufbau über längere Zeit erfolgt. Einige Sammler sind natürlich sehr verschlossen, manche haben da auch Bedenken. Manchen ist ihr Privatraum heilig und sie möchten ihn nicht der Öffentlichkeit preisgeben.

Aber wir sprechen zum Glück auch mit Menschen, die trotz einiger Bedenken sich dann doch extrem öffnen und ihre Hintergründe und ihre persönlichen Geschichten erzählen. Bei einem Besuch in einer Privatsammlung versuchen wir zumindest immer so viel wie möglich zu sehen und die Bildstrecken gut in das Interview zu integrieren. Wir möchten wissen, wo genau hängen die Kunstwerke? Wie leben die Sammler mit ihrer Kunst? Und idealerweise gibt es nicht nur einen repräsentativen Raum – das Wohnzimmer – sondern es werden uns gleich mehrere Räume voller Kunst gezeigt. Diese Entdeckungsreise durch die Privatsammlungen interessiert uns und unsere Leser ganz besonders.

Aber auch bei den Sammlern muss man höllisch aufpassen, wie privat man sie darstellt. Manche sind total easy und man lichtet sie dann in Socken ab und andere vergessen dies im Interview komplett. Aber es kommt auch immer wieder zu sehr lustigen Situationen. In den seltenen Fällen allerdings machen wir einen zweiten Termin, das muss uns dann allen schon sehr wichtig sein. Wir sind in erster Linie dann doch zu sehr Journalisten und nicht das verlängerte Sprachrohr für Sammler.

Soll sich dieser Fokus auf die Sammler auch in eurem Markenname Collectors Agenda widerspiegeln?

Der Name Collectors Agenda ist ein bisschen erklärungsbedürftig. Viele sagen die Collectors Agenda, für mich ist es einfach Collectors Agenda als Marke. Unser Statement lautet: Wir möchten für mehr Menschen Kunst auf die Agenda setzen – auf die Tagesordnung und auf die Agenda. Und wir möchten durch diese Auseinandersetzung mit Kunst auch mehr Interessierte zu Sammlerinnen und Sammlern machen. Das ist die Collectors Agenda.

Um noch einmal zurückzukommen auf Wien als Standort, neben der Kunststadt Wien gibt es in Wien und in Österreich insgesamt auch diese Öffnung Richtung Osteuropa. Das spiegelt sich auch auf eurer Messe, der ViennaContemporary, wider, hier stellen sich viele Galerien aus Slowenien, Kroatien, Tschechien, der Slowakei und Ungarn mit ihrem Programm vor.

Wien hatte natürlich historisch gesehen schon immer diese Rolle inne, die Stadt ist das Tor nach Osteuropa. Das war schon vor dem Eisernen Vorhang so und so ist  es noch heute. Wien hatte nach dem Fall des Eisernen Vorhangs natürlich weiterhin eine sehr wichtige Vermittlerrolle, meistens siedeln sich hier die Unternehmenssitze an, denn natürlich findet man hier EU-Richtlinien vor, und das gibt in einem gewissen Sinne Rechtssicherheit. Und es sind ja nicht umsonst sehr viele österreichische Unternehmen auch in Osteuropa präsent sind. Der Balkan fängt in Wien an und beide Seiten profitieren voneinander.

Ich persönlich merke aber immernoch, dass ich selbst viel zu wenige osteuropäische Künstler kenne und ich habe auch das Gefühl, dass in Westeuropa eine gewisse Ignoranz oder gar Arroganz spürbar ist, und dass man sich dann auch weiterhin eher Richtung Westen orientiert. Aber die Programmleiter der Kunstmessen in Wien als Ort des Austausches geben ihr bestes. Europa besteht aus vielen Ländern und jedes Land hat seine Geschichte. Und Kunst ist eine Sprache und übernimmt damit auch eine Vermittlerrolle; die Kunst ist das Medium. Vielleicht ist es auch so, dass natürlich viele Künstlerinnen und Künstler aus Osteuropa sich zu Recht auch politisch äußern. Ihre Kunst ist eher politisch aufgeladen. Wir können teilweise nicht so viel damit anfangen, weil sie uns fremd anmutet und weil wir bestimmte Probleme in dem Ausmaß nicht haben. Aber auf jeden Fall ist die Nähe eine potenzielle Bereicherung.

Wir sind doch in Europa aber alle an einem Punkt angelangt, wo wir uns fragen, wie wollen wir leben und wie wollen wir zusammen leben und zusammen arbeiten? Wie wollen wir alle miteinander kooperieren? Es ist eben nicht mehr so, wie vor drei oder vor fünf Jahren; die Umbrüche sind da und wir müssen sie mitgestalten, wenn wir nicht nur Zuschauer sein wollen. Und da komme ich zu meiner letzten Frage, welchen Einfluss hast du als Brand Consultant, wenn du als Berater in die unterschiedlichen Unternehmen hineingehst und diese berätst? Empfiehlst du den CEOs auch mal Dinge aus anderen Perspektiven zu sehen oder Dinge auch noch einmal anders zu machen? Oder sagst du von Anfang an, das ist nicht meine Aufgabe?

Als Brand Consultant glaube ich erst einmal nicht, dass es meine Aufgabe ist, innerhalb eines Unternehmens den großen Wandel anstoßen. Natürlich gibt es große Trends, Mega-Trends, und Unternehmen suchen sich immer mehr einen Purpose, eine Mission, und bei einigen Themen kann ich sie dabei auch unterstützen. Natürlich rückt das „Why“ auch immer mehr in den Vordergrund. Kunden und Mitarbeiter, sowie die Stakeholder verlangen auch das. Bei einer Unternehmensstrategie und Marketingstrategie geht es aber auch erst einmal um die grundsätzliche Positionierung am Markt.

Mit Kunst kann man vieles anstoßen und es ist ein Diskurs. Aber in der Regel wirft Kunst auch viele Fragen auf. Aber es kommt in der Regel nicht zu einem Resultat. Und wenn es dann heißt, Kunst ist nur dazu da, Fragen aufzuwerfen und keine Antworten zu geben, dann fühlen sich ja auch sehr viele Leute sehr wohl damit. 

Bei einem Unternehmen ist das anders, denn wenn man irgendwelche grundsätzlichen Fragen aufwirft und auf Grundsatzdiskussionen beharrt, dann kommt das nicht immer gut an. Unternehmen wollen Resultate und eine Richtung. Und natürlich ist man dann als Consultant gefragt und auch als Consultant erst richtig gut, wenn man es schafft, Richtung zu geben. Aber halt! Es kommt auch auf die Situation an und auf welcher Ebene ich dort arbeiten darf. Sitzt man mit am Schalthebel oder ist man nur in der Marketingabteilung? Und natürlich ist es wichtig zu wissen, bin ich biegsam genug oder anpassungsfähig genug – oder ist das Unternehmen biegsam genug oder anpassungsfähig genug? Natürlich kann man auch über viele Dinge sprechen und Ideen brainstormen, die nicht der eigentliche Auftrag sind. Wenn der Auftrag aber sehr eng gefasst ist, ist eine komplexere Beratung grundsätzlich erst einmal schwieriger, als bei einem Unternehmen, die dir mehr Handlungsspielraum gewähren. Denn dafür wird man ja von extern reingeholt, auch um vielleicht Dinge sagen zu dürfen, die man intern nicht sagen darf, die aber schon längst aufgefallen sind, und die sich doch niemand traut anzusprechen, weil die Mitarbeiter Sanktionen fürchten. Aber letzten Endes muss man sich als Consultant trotz alledem sehr klar bewusst sein: Wie weit reicht das Mandat?

Und man darf sich da jetzt auch keinen zu großen Schuh anziehen und keinen idealistischen Kampf in einem Unternehmen führen. Wenn man das Gefühl hat, es hilft nicht dem eigentlichen Auftrag, sehe ich nicht, dass ich dann in jedem Unternehmen die Fahnen für eine bessere Welt schwingen muss und da dann alleine unterwegs bin.

Und es ist ein Job. Als Consultant muss ich mich auch mit den Projekten identifizieren können, und es gibt auch Unternehmen, für die ich nicht arbeiten würde. Aber es braucht immer eine professionelle Distanz, um auch einen guten Abschluss vom Projekt zu finden. Und dann ist es natürlich auch sehr schön, durch Folgeaufträge an Bord zu bleiben. Ich habe auch Kunden, mit denen ich jetzt seit über 15 Jahren zusammenarbeite. Und manchmal denkst du, dass das, was du für richtig hältst, unbedingt gemacht werden muss. Aber es gibt auch eine andere Realität. Es gibt auch die pragmatische Ebene, denn der Kunde weiß am Besten, was er umsetzen kann. Der kennt sein Unternehmen einfach auf eine andere, tiefere Weise. Selbst wenn man Dinge sieht, die der Kunde nicht sieht. Und wenn man dann immer anfängt, Sturm zu laufen, dann bist du auch kein guter Consultant. Denn es geht ja auch immer um Umsetzbarkeit.

Da muss man sich auch immer mit der Unternehmensrealität auseinandersetzen. Das mag nicht immer angenehm sein, aber man muss da auch teilweise sehr pragmatisch sein, um seinem Kunden zu helfen. Manchmal ist auch der Kunde nicht an der Spitze des Unternehmens angesiedelt, sondern einige Ebenen darunter auf der mittleren Ebene. Und da musst du dem Kunden helfen, gut im Unternehmen auszusehen. Das ist die Realität.

Interview: Nadine Ethner, 2023

Florian Langhammer in der Ausstellung "power harvest" bei Collectors Agenda (2022) mit Judith Fegerl und Andreas Duscha © Christoph Liebentritt