
Kathrin Ganser eignet sich in digitalen Welten vorgefundene Bilder an, um diese aus ihrem ursprünglichen Kontext zu lösen und zu eigenen Zwecken umzuformulieren. Vor dem Hintergrund multipler ökologischer und humanitärer Krisen unserer Zeit erforscht die Künstlerin Fragen zur Wahrnehmung von Raum und Bildraum sowie die vermeintliche Perfektion von kartografierten Ansichten, den Satelliten- und Luftaufnahmen und 3D Ansichten oder den Erdbeobachtungen von Google Earth und Google Maps.
Lena Fließbach im Gespräch mit Kathrin Ganser
Lena Fließbach: Liebe Kathrin, in Deiner Arbeit erforschst Du digitale Bildkulturen und globale Medienbilder und überführst diese in neue fotografische Bildwelten und Installationen. Kannst Du uns mehr darüber erzählen, wie sich diese Herangehensweise entwickelt hat?
Kathrin Ganser: Grundsätzlich liegt hier die Frage zugrunde, wie sich Bilder im Kontext von Internet und Digitalität verorten, wie wir mit den immensen Bildmengen und Archiven an Bildmaterial, überhaupt einer Visualität in Fülle umgehen, welche medienästhetischen Fragestellungen sich ergeben, was wir wie sehen und wie diese Bilder in ihrer Zeitlichkeit und Fluidität funktionieren.
Ich behandle Fragen der Raumwahrnehmung wie auch der Bildräumlichkeit und der Übersetzung in den physischen Raum. Die digitale Bildkultur ist heute kaum mehr zu trennen von der Erschaffung von Realitäten. Sie ist selbst Realität. Diese ist meist dynamisch und fluide. Mit der Erweiterung des Bildes in den digitalen und virtuellen Raum entsteht in der Konsequenz der Wunsch, den Bildraum in den physischen Raum zu übersetzen und das Ausloten in das Skulpturale. Für mich bedeutet das auch immer die Erweiterung des Feldes.
Seit ich fotografiere, habe ich auch immer schon mit anderen Medien von Malerei bis Film oder Text experimentiert, die ich meist installativ zeige. Die Arbeit an meiner jüngsten Serie Digitale Ruinen (seit 2018) geht hier konkret von der Übersetzung technisch generierter, digitaler Bilder aus dem Internet ins Materielle aus. Die Übersetzung in eine physisch-materielle, stoffliche Form ist hier elementar im Umgang mit den Bildern, die ich im Internet finde.

VTph editions: Göran, wir kennen sehr viele unterschiedliche Serien von dir, Arbeiten, die sich mit dem sozialen Raum in der Gesellschaft auseinandersetzen, aber die Arbeit „I follow rivers“ ist eine sehr persönliche Arbeit, die du 2015 begonnen hast. Hier stellst du dir selbst existenzielle Fragen. Möchtest du uns noch ein bisschen mehr darüber erzählen?
Göran Gnaudschun: Die Idee für diese Arbeit ist mir 2018 in Rom gekommen. Ich hatte für ein Jahr das Villa-Massimo-Stipendium und konnte dort sehr frei arbeiten. Neben meiner Arbeit „Are You Happy?“ sind immer auch freiere, impulshaft fotografierte Bilder entstanden, die alle von einem ähnlichen Grundgefühl getragen werden. Später habe ich dann in meinem Archiv nach weiteren Bildern gesucht, die dieselbe Intensität und Offenheit haben und auch in Deutschland weiter fotografiert.
„I follow rivers“ ist für mich eine Arbeit über Schmerz. Ausgelöst vom Ende einer Liebe und dem Abschied von einer ganzen Familie, geht es um das „Nie wieder“, um Trennung, Desorientierung, um tiefe Löcher, in die man während eines Lebens fallen kann. Aber es geht auch um einen zarten Neubeginn. Wer sich in unbekanntem Gelände verlaufen hat, folgt am besten Wasserläufen. Diese führen in bewohnte Gegenden, zu anderen Menschen, irgendwann.

Alexandra Wolframm konzentriert sich in ihrer Arbeit auf die existenzielle Beziehung zwischen Mensch und Natur und die Interaktion zwischen Vision und Imagination. Ihr Fokus liegt hierbei auf dem Aspekt der Zeit in Bezug auf die menschliche Existenz und die Indifferenz der Natur gegenüber letzterer. Die Landschaft als Erscheinung und Metapher der Natur, selbst in ihrer scheinbar gezähmten Form der westlichen Welt, ist wie ein Gegenstück oder eine Art Spiegel: ein Teil von unserem menschlichen Dasein – und dennoch sind wir ihr entfremdet.
Wir sprechen über die fotografischen Arbeiten "The Vanishing Point", "Acque Nere" und "Split Landscape", sowie über das malerisches Œuvre, welches ähnliche und parallele Ansätze verfolgt. Über den Exkurs nähern wir uns der multimedialen Arbeit der Künstlerin. Do not miss!

Werkstatt von Loh
In der Werkstatt gehen Galeristen, Sammler, Künstler und Fotografen täglich ein und aus. Sie besprechen mit Uwe von Loh die Wahl des Holzes, die Maße, die Art und Weise der Rahmung das allgemeine Kunstgeschehen. Uwe nimmt grundsätzlich jedes Bild persönlich in Augenschein und vermisst es noch einmal ganz genau: „Jeder Millimeter zählt, denn erstaunlicherweise misst jeder unterschiedlich.“ Aber die Kunden vertrauen Dr. Uwe von Loh. Er kommt ursprünglich aus dem Industriedesign. Materialien, Formen und Funktionen sind sein Fachgebiet. „Design ist die Beschreibung von gesellschaftlichen Erwartungen und weniger persönlichem Formempfinden.“

Zum ersten Mal und exklusiv für VTph editions hat Stefan Heyne je zwei Motive in einem Blatt kombiniert, deren Farbenspiel so in eine direkte Wechselwirkung treten.
VTph editions: Stefan, deine Farbverläufe in den Fotografien spielen immer mit unserer Wahrnehmung. Sie scheinen den Raum in Frage zu stellen, die Zeit ebenso und geben uns etwas schwereloses. Zeigt sich in deinem fotografischen Werk auch deine Prägung und dein Background zur Bühne und zur Licht- und Raumbespielung?
Stefan Heyne: Fußt nicht alles was wir tun und planen auf dem, was bisher war? Step by step. Kunst ist letztlich nichts anderes als permanent den Horizont zu erweitern – für mich selbst und damit vielleicht auch für andere. Meine Bilder beschreiben den Raum in seiner ursprünglichen Dimension: der Unendlichkeit. Und das mit den Mitteln der Fotografie. Und der Raum ist unendlich, nur die Fotografie an sich ist durch 4 Ecken begrenzt, alles passiert zwischen diesen 4 Kanten. Der Raum wird hier gebannt.

VTph editions: Sarah, neben deiner Arbeit an deinen fotografischen Projekten lehrst du seit einigen Jahren als künstlerisch-wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Hildesheim und bist seit Sommer 2021 auch als freie Dozentin an der Fachhochschule Bielefeld. Was reizt dich an der Arbeit mit den Studierenden und inwieweit fordern sie dich heraus?
Sarah Straßmann: Unabhängig von der Lehre, ich freue mich über die Legitimation viel lesen, recherchieren und Neues lernen zu müssen. Meine Seminare sind thematisch eng mit meinen künstlerischen Projekten verknüpft. Recherchen aus der Uni Tätigkeit nutze ich in meiner künstlerischen Arbeit, während Erfahrungen aus meiner künstlerischen Praxis in die Lehre fließen. Das gelingt wahrscheinlich deshalb gut, da ich schon immer eine eher konzeptuelle Arbeitsweise in meinen künstlerischen Projekten verfolgt habe. Thematisch heißt das, auf der Basis von Fotografie interessiere ich mich für Repräsentations- und Wahrnehmungsfragen von Raum im Bild, vom Bild im Raum, aber auch für Gebrauchsweisen mobiler Fotografie im Kontext von Internet und Social Media. Also im weitesten Sinne auch hier für Raum, nämlich Kommunikationsräume. (...)

VTph editions: Alexandra, in deiner künstlerischen Auseinandersetzung mit Natur und Landschaft untersuchst du das Spannungsfeld von Mensch und Natur. Welches Medium bevorzugst du bei der Umsetzung deiner Projekte?
Alexandra Wolframm: Ich würde mich als multidisziplinäre Künstlerin bezeichnen. Je nach Thema und Stimmung arbeite ich mit unterschiedlichen Medien, vor allem Fotografie, Malerei, Zeichnung, Video und Objekten. Ein bevorzugtes Medium im eigentlichen Sinn habe ich nicht, allerdings ist die Fotografie schon sehr bedeutsam für mich, ich nutze sie für eigenständige Arbeiten, aber auch oft als Ideensammlung für meine malerischen und zeichnerischen Arbeiten. Sie ist also eine Art Grundrauschen, ständig präsent. An der Fotografie schätze ich die Direktheit, Glätte und Klarheit, sie ist für mich ein Medium, das etwas rationaler ist oder wirkt, im Gegensatz zur Malerei oder der Zeichnung.

VTph editions: Julia, seit vielen Jahren berätst du Privatpersonen, Unternehmen und Sammler beim Kauf von Kunst und bei ihrem Sammlungsaufbau. Was fasziniert dich an deiner Arbeit?
Julia Rosenbaum: Kunst zu kaufen und zu sammeln, kann viele gute Gründe haben: Die Liebe zur Kunst, die Förderung von Talenten oder der Glaube an Kunst als Kapitalanlage. Die zeitgenössische Kunstwelt ist sehr spannend, aber auch sehr unübersichtlich. In diesem Dickicht an unterschiedlichen Stilen und Strömungen, Preisen und Marktregeln ist es hilfreich, jemanden an der Seite zu haben.

VTph editions: Sonya, du arbeitest seit vielen Jahren mit dem Sujet der Pflanze, du nutzt Kulturpflanzen, sowie Heilpflanzen oder Unkraut. Was fasziniert dich an dieser Auseinandersetzung?
Sonya Schönberger: Ich arbeite seit vielen Jahren zudem mit dem Fokus auf Erinnerungen und Biografien. Das verfolge ich intensiv schon recht lang, aber nebenbei und auf dem Weg habe ich gemerkt, dass ich auch das oder die zu Wort kommen lassen will, die keine Stimme und nur eine kleine oder keine Lobby haben, aber doch alles Leben ausmachen.

Harf Zimmermann war einer der sieben Gründer der legendären Agentur OSTKREUZ und fotografierte für internationale Magazine. Mehr als 10 Jahre nach Abkehr von der journalistischen Arbeit ist Harf Zimmermann nun endgültig zum Großformat zurückgekehrt. Mit diesem „loop“ ist seine künstlerische Biographie besonders.
Julia Rosenbaum / StudioVisits: Beginnen wir am Anfang: Wie kamst Du zur Kunst oder wie kam die Kunst zu Dir?